Wonach sich (junge) Menschen wirklich sehnen – Ein Gastbeitrag von Tim Wiegelmann

Intro und Vorstellung

Fehlende Inklusion und das Entfalten von Potenzialen: Unser heutiger Beitrag wurde von einer inspirierenden Persönlichkeit verfasst, deren Beiträge und  Message uns auf den sozialen Medien besonders erfreut. Wir folgen Tim vom Kanal @timwiegelmann_bildungsrebell schon seit längerer Zeit auf Instagram und möchten dem 18-Jährigen mit diesem Artikel die Aufmerksamkeit schenken, die er für sein Engagement mehr als verdient.

Tim hat mit seinem Instagram Kanal und seinem Buch ,,Ich weiß, dass du nur Gutes willst: Ein 18-jähriger erzählt, wonach sich (junge) Menschen wirklich sehnen’’ ein Werk geschaffen, an dem er Themen wie fehlende Inklusion in Zusammenhang mit unserem Schulsystem aus eigener Erfahrung anspricht. Wenn es eines gibt, das Tim bewegt, antreibt und motiviert, ist es die Überzeugung, dass in jedem Kind so viel mehr steckt, als wir uns bewusst sind. Was nötig ist, damit unsere Kinder endlich all ihre Potenziale entfalten können, ist keine neue Technik, keine neue Methode und kein komplexes Förderkonzept, sondern lediglich die innere Haltung des bedingungslosen Vertrauens. Wir von Inklusion Digital freuen uns über die Zusammenarbeit mit dir, Tim!

Meine besondere Geschichte mit dem Schulsystem

Als ich klein war, spürte ich eine große Freude daran, alles um mich herum zu entdecken und zu erforschen. Ich hatte das Gefühl, dass mir die Welt gehörte, dass ich alles verstehen und erkennen konnte, wenn mich nur der Zauber meiner Neugier erfasste. Tagtäglich wollte ich mir neue Erfahrungsfelder erschließen und herausfinden, welche Möglichkeiten mir dieses Leben schenkt. Sehr präsent war immer die Erfahrung, alles durchdringen, begreifen und lernen zu können, von dem ich begeistert war. Je älter ich wurde, desto mehr wich das magische Leuchten in meinen Augen. Mir wurde gesagt, dass es jetzt wichtigere Dinge gebe und dass das, was mich fesselte, begeisterte und mir tiefe innere Freude schenkte, nun hinten anstehen müsste. Doch heute kann die Wissenschaft kristallklar beweisen, dass genau diese tiefe innere Freude der Treibstoff für ganz besondere Leistungen ist. Ich bin seit meiner Geburt auf einen Rollstuhl angewiesen. Man kann also sagen, dass mir das Leben vieles verwehrte, was für Sie ganz selbstverständlich ist. Dies wird ein Grund dafür sein, dass mir besonders daran gelegen ist, alle mir bleibenden Potentiale bestmöglich zu entfalten. Ich träumte mich schon in die verschiedensten Welten: Einmal war ich Taktik Berater in einem Fußballteam, ein anderes Mal Hirnforscher. Die Vielfalt aller Möglichkeiten, die mir dieses Leben schenkt, versetzte mich schon immer in tiefes Staunen.

Meine beiden Antreiber: Angst und Hoffnung

Umso bedrückter war ich, als ich entsetzt feststellen musste, dass ich zuerst meine Schulpflicht erfüllen und dann auch noch bestimmte Prüfungen bestehen muss, damit mir diese wunderbare Welt offen steht. Dabei weiß inzwischen jeder Entwicklungsneurobiologe, dass wir mit einer unvorstellbaren Vielfalt an Potentialen zur Welt kommen. Um diese Potentiale entfalten zu können, dürfen wir unsere Begeisterung jedoch niemals verlieren und wir müssen im Schutz einer sicheren Bindung diese Welt entdecken dürfen. Die wissenschaftlichen Entdeckungen der letzten Jahrzehnte sind so atemberaubend, dass ich nun nicht mehr leise sein kann. Denn mit jeder neuen Erkenntnis, die wir über die Entwicklung unserer Kinder gewinnen, steigt auch unsere Verantwortung, dieses Wissen in die Tat umzusetzen. Das würde bedeuten, dass wir bedingungslos darauf vertrauen müssen, dass jedes Kind und jeder Jugendliche seinen ureigenen Weg in ein gelingendes Leben finden wird. Das sind die ersten Sätze meines Buches: „Zwei Dinge treiben mich dazu an, dieses Buch zu schreiben: Angst und Hoffnung. Es ist meine ganz persönliche Angst, niemals herausfinden zu können, was wirklich in mir steckt, mich niemals als selbstwirksam und erfolgreich zu erleben.“

Das, was ich nun schreiben werde, meine ich völlig ernst und doch ist es längst nicht so dramatisch, wie es klingt: Ich hatte in meinem Leben noch nie wirklich das Gefühl, mich für etwas einsetzen zu können, dass mir wirklich am Herzen liegt und damit anderen Menschen etwas Wertvolles zu schenken. Nur selten habe ich echte Selbstwirksamkeit gespürt. Wie ich in der folgenden Einleitung ausführlich schildern werde, frage ich mich sehr oft: „Warum gibt mir niemand eine Chance, meine Fähigkeiten und Potenziale zu erkunden?“ Die Sehnsucht danach, herauszufinden und zu erleben, was alles in mir verborgen liegt, trage ich schon immer in mir. Ich habe diese Welt jedoch als einen Ort kennengelernt, an dem man sehr stark darum kämpfen muss, mit seinen einzigartigen Potenzialen gesehen zu werden und die Gelegenheit zu bekommen, all seine Möglichkeiten kennenzulernen. Es sollte das Geburtsrecht eines jeden Kindes sein, die in ihm schlummernden Talente nach seinen eigenen Bedürfnissen entfalten zu dürfen. Doch auch noch in der heutigen Zeit wird Kindern zuweilen schon an ihrem fünften Geburtstag erzählt, dass in einem Jahr „der Ernst des Lebens“ beginne.

Bereits im zarten Alter von neun oder zehn Jahren bekommen dann manche Kinder zu hören, dass sie sich anstrengen müssten, weil sie sonst nicht aufs Gymnasium könnten und dann „keine Zukunft“ hätten. Wie können wir so respektlos sein? Ich kann die verzweifelte Stimme dieser Kinder hören, die schreit: „Ihr versteht mich alle nicht. Ihr habt keine Ahnung, wer ich bin. Alles, was ich wollte, als ich auf diese Welt kam, war mit euch verbunden zu sein und dieses Leben, das uns so viel Wunderbares schenkt, mit all dem, womit ich gesegnet wurde, zu entdecken. Warum macht ihr mir das alles so schwer?“ Ich höre diese Stimme so gut, weil es meine eigene ist. „Ich bin fest davon überzeugt, dass Einsamkeit und Alleinsein nicht dasselbe sind: Allein sind manche gerne, andere weniger gern. Die Zeit, in der wir gerne mit anderen zusammen oder allein sind, kann von Person zu Person etwas variieren. Doch Einsamkeit ist das Gefühl: „Das, was mich bewegt, hat hier keinen Platz. Ich habe das Gefühl, dass ich das, was mir wichtig ist, hier nicht zeigen darf. Ich als Person, so wie ich wirklich bin, zähle hier nicht. An meinem Kern ist hier niemand gelegen.“ Wie viele Kinder und Jugendliche spüren diese Einsamkeit schon in der Schule?

Ich bin ein Bildungsrebell

Meine „besondere“ Geschichte mit dem Schulsystem, hat mich zu einem Bildungsrebell gemacht, denn ich bin fest davon überzeugt, dass Einsamkeit und Alleinseinnicht dasselbe sind: Allein sind manche gerne, andere weniger gern. Die Zeit, in der wir gerne mit anderen zusammen oder allein sind, kann von Person zu Person etwas variieren. Doch Einsamkeit ist das Gefühl: „Das, was mich bewegt, hat hier keinen Platz. Ich habe das Gefühl, dass ich das, was mir wichtig ist, hier nicht zeigen darf. Ich als Person, so wie ich wirklich bin, zähle hier nicht. An meinem Kern ist hier niemand gelegen.“ Wie viele Kinder und Jugendliche spüren diese Einsamkeit schon in der Schule? Den deutlichen Unterschied zwischen Einsamkeit und Alleinsein kann man auch sehr gut an folgendem Beispiel erkennen: Stellt Euch vor, ihr habt den ersten Arbeitstag in einem neuen Unternehmen: Ihr seid unheimlich aufgeregt, da das ein wichtiger Karriereschritt ist und habt kaum geschlafen. Doch dort angekommen werdet ihr nur flüchtig begrüßt und keiner der neuen Kolleg*innen nimmt sich Zeit für ein Gespräch. Niemand fragt Euch, wie es Euch geht. Stattdessen bekommt ihr gleich einen riesigen Stapel Aufgaben auf den Tisch gelegt. In diesem Moment fühlt ihr Euch bestimmt sehr einsam, doch allein seid ihr faktisch nicht, da im Großraumbüro noch 150 andere Menschen arbeiten.

In diesen Momenten, in denen wir erfahren müssen, wie wir aus einer Gemeinschaft ausgeschlossen werden, wenn wir die Erfahrung durchleben müssen, so wie wir sind, nicht dazugehören zu dürfen und nicht mit all unseren Talenten und Potentialen gesehen zu werden, kommt es zu Aktivierung jener Zentren unseres Gehirns, die auch immer dann aktiviert werden, wenn wir einen körperlichen Schmerz erleiden. 1 , 2

In diesem Video führe ich näher aus, was das bedeutet:

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Mehr Informationen

Quellen

  1. Eisenberger, Naomi I.; Lieberman, Matthew D.; Williams, Kipling D. (2003). "Does rejection hurt? An fMRI study of social exclusion". Science. 302 (5643): 290–292. doi:10.1126/science.1089134. PMID 14551436.
  1. Eisenberger, N. : The neural bases of social pain: Evidence for shared representations with physical pain (2012)

Hier könnt ihr Tims Buch erwerben.

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